Pflichtverteidiger oder Wahlverteidiger?
Ist ein Pflichtverteidiger "schlechter" als ein Wahlverteidiger".....?
Es bestehen viele Vorurteile, was einen Pflichtverteidiger anbetrifft. Am häufigsten wird die Meinung vertreten, dass ein Pflichtverteidiger weniger engagiert als der Wahlverteidiger für seinen Mandanten "kämpft".
Ist diese häufig anzutreffende Meinung zutreffend?
Hierzu folgende Erläuterungen:
Nach der Strafprozessordnung (StPO) hat der Pflichtverteidiger die selben Rechte wie ein Wahlverteidiger. D. h. auch ein Pflichtverteidiger kann das Verfahren durch Stellung von Beweisanträgen, Abgabe von Erklärungen und dergleichen aktiv im Interesse seines Mandanten mitgestalten.
Trotz gleicher Aufgaben und Rechte bekommt der Pflichtverteidiger allerdings deutlich weniger Honorar als der Wahlverteidiger. Der im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) festgelegte Gebührenunterschied zwischen Pflicht- und Wahlverteidigung wird zusätzlich durch den Umstand verschärft, dass in größeren Verfahren Wahlverteidiger in der Regel Gebührenvereinbarungen mit ihren Mandanten treffen, die z.T. ein Vielfaches der gesetzlichen Gebühren betragen.
Der Abschluss einer Gebührenvereinbarung ist gerade bei Wirtschaftsstrafsachen oder anderen Großverfahrenauch gerechtfertigt. Jedermann wird verstehen, dass ein Verteidiger bei solchen Verfahren schwerlich Dutzende von Leitzordnern Ermittlungsakten mit Tausenden von Seiten Akteninhalt bearbeiten kann für eine Verfahrensgebühr, die lediglich wenige hundert Euro beträgt.
Natürlich ist auch das der Grund, warum es einige Rechtsanwälte geben mag, die ihre Pflichtverteidigungsfälle nicht mit dem selben Engagement bearbeiten wie die Wahlverteidigungsmandate.
Dabei handelt es sich nach Erfahrung des Verfassers um Ausnahmefälle. Die meisten Strafverteidiger üben ihren Beruf aus persönlicher Überzeugung aus. Das bedeutet, dass Pflichtverteidigungen mit der selben Sorgfalt und dem selben Engagement wie Wahlverteidigungsmandate bearbeitet werden. Denn jeder von einem Strafverfahren Betroffene - auch der Mittellose - hat ein Anrecht auf eine optimale Verteidigung.
Das größte Problem an Pflichtverteidigungen liegt nach Meinung der meisten Strafverteidiger wie auch des Verfassers in dem gesetzlich vorgeschriebenen Auswahlverfahren.
Nach § 142 Abs. 1 StPO wählt grundsätzlich der Vorsitzende des Gerichts den Rechtsanwalt aus, der zum Pflichtverteidiger bestellt wird. Des öfteren ist jedoch zu beobachten, dass etliche Richter ihre Fälle in erster Linie "rasch abgearbeitet" haben wollen, was dann der Fall ist wenn es möglichst schon am ersten Hauptverhandlungstag zu einem Urteil kommt. Das steht natürlich oftmals im Widerspruch zu einer sachgerechten Strafverteidigung, vor allem in Fällen, bei denen beispielsweise erst im Wege der Einvernahme zahlreicher Zeugen der Sachverhalt zugunsten des Mandanten aufzuklären ist.
Daher wird ein seitens des Gerichts oder von ein und demselben Richter häufig bestellter Pflichtverteidiger eher dazu neigen, ein prozessuales Verhalten an den Tag zu legen, dass das Gericht möglichst nicht verärgert. Wobei "verärgern" im Sinne der Stellung zahlreicher Beweisanträge und ggf. auch Befangenheitsanträge gegen das Gericht zu verstehen ist. Denn es liegt auf der Hand, dass das Gericht einen auf diese Weise engagiert auftretenden Pflichtverteidiger künftig wahrscheinlich nicht mehr berücksichtigen wird.
Es ist naheliegend, dass ein etwa auf diese Weise zustande gekommenes "Agreement" zwischen Gericht und Verteidiger gravierende Folgen für den von einem Strafverfahren Betroffenen haben kann. Dies verschärft sich noch dadurch, dass der für die erste Instanz bestellte Pflichtverteidiger auch für ein etwaiges Berufungs- oder Revisionsverfahren beigeordnet ist und die "Auswechslung" eines Pflichtverteidigers regelmäßig auch im Falle einer erstinstanzlichen Verurteilung nicht in Betracht kommt.
Wobei ausdrücklich betont werden muss: Es gibt auch viele sehr engagierte Richter, die ihre Aufgabe ernst nehmen und nicht den "bequemsten" sondern einen erfahrenen und kompetenten Strafverteidiger als Pflichtverteidiger aussuchen. Dies ändert nach Meinung des Verfassers nichts an der grundlegenden Problematik des Auswahlverfahrens, weil nun eben auch Gegenteiliges zu beobachten ist.
Für einen Beschuldigten im Strafverfahren bedeutet dies:
Machen Sie immer nach Erhalt einer gerichtlichen Aufforderung, innerhalb einer Frist einen Verteidiger zu benennen, von Ihrem Recht auf die Benennung eines Verteidigers Ihres Vertrauens und dessen Beiordnung als Pflichtverteidiger Gebrauch, wenn Sie finanziell nicht in der Lage sind, die höheren Kosten eines Wahlverteidigers zu tragen bzw. die üblichen Kostenvorschüsse zu leisten. Diesen von Ihnen bestimmten Pflichtverteidiger muss Ihnen das Gericht auch beiordnen, wenn nicht gewichtige Gründe entgegenstehen, was aber in der Regel nicht der Fall sein wird.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen darf das Gericht Ihnen nur dann einen vom Gericht ausgesuchten Pflichtverteidiger beiordnen, wenn Sie von Ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen oder die Ihnen gesetzte Frist ungenutzt verstreichen lassen.
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Sehr gerne stehe ich Ihnen für ein weiterführendes Gespräch zur Verfügung