Strafverfahren: Häufige Fragen

Wann schalte ich einen Strafverteidiger ein?

Grundsätzlich gilt: Es sollte so früh als möglich ein Strafverteidiger eingeschaltet werden. Dies gilt nicht nur bei Inhaftierung und anderen einschneidenden Zwangsmaßnahmen wie Durchsuchung, sondern auch wenn ein Schreiben der Staatsanwaltschaft oder Polizei bei Ihnen eingeht, mittels dessen Sie zur Beschuldigtenvernehmung geladen werden. Es kann nur dringend davon abgeraten werden, irgendwelche Angaben zur Sache zu machen, bevor nicht mit einem Strafverteidiger gesprochen wurde! Denn Fehler in diesem Verfahrensstadium sind bei späterem Einschalten eines Verteidigers so gut wie nicht mehr korrigierbar.

Was sind die wichtigsten Fristen im Strafverfahren?

Wenn Ihnen ein Strafbefehl zugestellt wird, beträgt die Einspruchsfrist zwei Wochen, wobei es es nicht auf die Absendung des Briefes, sondern auf dessen Eingang bei Gericht ankommt. Nach einer mündlichen Urteilsverkündung beträgt die Frist zur Einlegung eines Rechtsmittels eine Woche ab Urteilsverkündung. Wenn Sie das Gericht zur Benennung eines Rechtsanwalts zwecks Pflichtverteidigerbestellung auffordert, werden häufig nur sehr kurze Fristen gesetzt. Allerdings kann dann bei Gericht angerufen und ein Verteidiger auch kurzfristig benannt werden.

Was kostet mich ein Strafverfahren?

Grundsätzlich bezahlt der Beschuldigte/Angeklagte die Kosten des Verfahrens und seiner Verteidigung, soweit er nicht (rechtskräftig) freigesprochen werden oder die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird. In Fällen der Pflichtverteidigung vor, übernimmt die Staatskasse die Kosten des Pflichtverteidigers. Diese können jedoch nach Abschluss des Verfahrens von den Beschuldigten/Angeklagten zurückverlangt werden.

Sollte keine Anklage erhoben werden, weil z.B. das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdacht eingestellt wird, trägt die Beschuldigte die Kosten seines Rechtsanwalts in der Regel selber. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Wenn z.B. der Beschuldigte Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchung oder Untersuchungshaft hinnehmen musste, können die Kosten seines Verteidigers der Staatskasse auferlegt werden, wenn sich die Verteidigung gegen diese Maßnahmen gerichtet hat.

Übernimmt meine Rechtsschutzversicherung die Kosten meines Verteidigers?

Eine Rechtsschutzversicherung trägt grundsätzlich nur dann die Kosten des Verteidigers, wenn das zur Last gelegte Delikt auch fahrlässig begangen werden kann. Das ist in der Regel bei Verkehrsstrafsachen der Fall sein, aber auch bei Delikten wie "fahrlässige Tötung".

Wird die Versicherungsnehmerin bzw. der Versicherungsnehmer nach Erteilung einer Deckungszusage wegen einer vorsätzlicher Begehung verurteilt, verlangt die Versicherung die bezahlten Gebühren des Verteidigers zurück.

Wie bekomme ich einen Pflichtverteidiger?

Lesen Sie bitte hier den ausführlichen Beitrag zu diesem Thema.

Welche Rechte haben Geschädigte im Strafverfahren?

Auskünfte/Akteneinsicht (§ 406e Strafprozessordnung):

Für den Verletzten kann ein Rechtsanwalt die Akten einsehen, soweit er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt (z.B. für die Prüfung bürgerlich-rechtlicher Ansprüche oder für die Vorbereitung eines Verwaltungsstreitverfahrens). In den in § 395 Strafprozessordnung genannten Fällen (Nebenklage) bedarf es der Darlegung eines berechtigten Interesses nicht. Die Akteneinsicht ist zu versagen, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Darüber hinaus kann die Akteneinsicht versagt werden, soweit der Untersuchungszweck gefährdet erscheint oder durch sie das Verfahren erheblich verzögert würde.

Rechtsbeistand:

Der Verletzte kann sich im Strafverfahren des Beistandes eines Rechtsanwaltes bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen (§ 406 f Strafprozessordnung). Diesem ist bei der Vernehmung des Verletzten durch die Staatsanwaltschaft (nicht durch die Polizei) oder das Gericht die Anwesenheit gestattet.

Hinzuziehung einer Vertrauensperson (§ 406f Abs. 3 StPO):

Bei allen Vernehmungen des Verletzten durch Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht ist einer Person seines Vertrauens die Anwesenheit zu gestatten, sofern hierdurch der Untersuchungszweck nicht gefährdet wird.

Privatklage:

Bei den in § 374 Abs. 1 Strafprozessordnung genannten Straftaten kann der Verletzte selbst ohne Einschaltung der Staatsanwaltschaft die Verfolgung übernehmen (§§ 374 ff. Strafprozessordnung), sofern der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Tat volljährig war.

Nebenklage:

Der durch die Staatsanwaltschaft erhobenen öffentlichen Klage kann der Verletzte sich in den in § 395 Strafprozessordnung genannten Fällen anschließen (§§ 395 ff. Strafprozessordnung).

Entschädigung:

Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch im Strafverfahren geltend machen (§§ 403 ff. Strafprozessordnung – Adhäsionsverfahren).

Nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten können Personen, die durch eine Gewalttat eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, oder deren Hinterbliebene wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung erhalten.

Ich habe einen Strafbefehl erhalten! Was muss ich beachten?

Was kann ich gegen einen Strafbefehl unternehmen? Gibt es ein Rechtsmittel?

Ja. Gegen einen Strafbefehl kann Einspruch eingelegt werden.

Erfordert der Einspruch eine bestimmte Form?

Ja. Der Einspruch muss schriftlich oder "zu Protokoll der Geschäftsstelle" des Gerichts, das den Strafbefehl erlassen hat, eingelegt werden.

Ist der Einspruch an eine Frist gebunden?

Ja. Der Einspruch muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung eingelegt werden. Ist der Strafbefehl beispielsweise am Montag, den 03. Mai 2010 zugestellt worden, endet die Einspruchsfrist mit Ablauf des Montags, 17. MAi 2010.

Das Fristende fällt auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag. Was iist hier zu beachten?

In diesem Fall endet die Frist zur Einspruchseinlegung erst am Ende des nächsten Werktags. Ist das (rechnerische) Fristende etwa Samstag, 29. Mai 2010, so ist das tatsächliche Fristende erst am Montag, 31. Mai 2010, d. h. am nächsten Werktag.

Was passiert, wenn kein Einspruch oder der Einsocuh nicht form- und fristgerecht eingelegt wird?

Der Strafbefehl wird dann rechtskräftig und steht einem rechtskräftigen Strafurteil gleich. Die Strafe wird wirksam und kann vollstreckt werden.

Bin ich denn vorbestraft, wenn der Strafbefehl rechtskräftig wird?

Ja! Insoweit besteht kein Unterschied zwischen einem rechtskräftigen Strafbefehl und einem rechtkräftigen Urteil. Zu beachten ist jedoch, dass erst ab Überschreiten der Grenze von 90 Tagessätzen die Vorstrafe in ein polizeiliches Führungszeugnis aufgenommen wird.

In vielen Fällen gelingt es, durch die Einschaltung eines kompeteten Strafverteidigers zu erreichen, dass diese Grenze - sofern sich eine Verurteilung aus in der Sache liegenden Gründne unvermeidbar ist - nicht überschritten und der Beschuldigte seine "weiße Weste" behält. Dies ist vor allem wichtig, wenn der Beschuldigte, z.B weil er eine neue Arbeitsstelle antreten will, auf ein "lupenreines" polizeiliches Führungszeugnis angewiesen ist.

Ich habe leider die Einspruchsfrist versäumt. Kann ich überhaupt noch etwas tun?

Wurde die Frist zur Einspruchseinlegung ohne Verschulden versäumt, kann "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" beantragt werden. Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer Woche nach Wegfall des Umstands, der den Betroffenen an der Fristeinlegung hinderte, erfolgen. Innerhalb dieser Frist muss auch der Einspruch gegen den Strafbefehl nachträglich eingelegt werden.

Sollte in Ihrem Falle eine "Wiedereinsetzung" in Betracht kommen, weil entsprechende Gründe vorliegen, raten wir dringend an, sich (zumindest) für das Wiedereinsetzungsgesuch der Hilfe eines erfahrenen Strafverteidigers zu bedienen. Denn in der Regel scheitert ein Wiedereinsetzungsgesuch, falls es nicht 100%- ig entsprechend der insoweit strengen Förmlichkeiten der Strafprozessordung (StPO) verfasst ist. Dem Verfasser zumindest ist kein einziger Fall bekannt, beil welchem der Beschuldigte selbst (auch wenn triftige Gründe vorgelegen haben) Wiedereinsetzungsgesuch verfassen konnte, welches auch zum Erfolg geführt hat.

Wer kann den Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen?

Der Beschuldigte, dessen Verteidiger und gegebenenfalls der gesetzliche Vertreter (ggf. auch der Betreuer) des Beschuldigten.

Kann der Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt werden?

Der Einspruch kann auf "bestimmte Beschwerdepunkte" beschränkt werden, also auch auf die Rechtsfolgen.

Ist Ihrer Ansicht nach das verhängte Strafmaß zu hoch, z.B. die Anzahl der Tagessätze oder Höhe des einzelnen Tagessatzes, kann der Einspruch beschränkt werden.

Ebenso wenn Sie etwa nur gegen eine im Strafbefehl verhängte Nebenfolge (z.B. Fahrverbot) vorgehen möchten, nicht hingegen gegen die verhängte Geldstrafe(Tagesatzanzahl/Tagessatzhöhe)

Ich halte die Höhe des verhängten Tagessatzes für zu hoch. Wie setzt das Gericht die Höhe des Tagessatzes fest??

Wenn Sie im Ermittlungsverfahren, etwa gegenüber der Polizei im Rahmen einer Vernehmung, Angaben zu Ihren Einkünften gemacht haben, werden diese Angaben zugrunde gelegt. Haben Sie (und ggf. auch andere Personen) in diesem Punkt keine Angaben gemacht und liegen auch sonst keine Beweismittel vor, wird ihr Einkommen nötigenfalls geschätzt. Ein Tagessatz entspricht gewöhnlich rund 1/30 des monatlichen Nettoeinkommens. Verdienen Sie z.B. monatlich netto 1.800,00 €, sollte der einzelne Tagessatz bei maximal rund 60,- € liegen.

Im Einzelfall können sich aber erhebliche Abweichungen ergeben. Vor allem können zusätzliche Umstände zu Ihren Gunsten berücksichtigt werden, z.B. bestehende Verbindlichkeiten, besonders hohe Mietkosten oder Unterhaltsverpflichtungen, so dass sich im Ergebnis ein deutlich "bereinigtes" niedrigeres anzusetzendes Einkommen ergibt. Diese Gründe, welche zu einer deutlichen Herabsetzung der Höhe des einzelen Tagessatzes führen können, müssen Sie mit Ihrem Strafverteidiger gemeinsam herausarbeiten, damt dieser - unter Vorlage entsprechender Belege - dies dem Gericht glaubhaft vortragen kann.

Ich habe einen auf die Höhe des Tagessatzes beschränkten Einspruch eingelegt. Findet in jedem Fall eine mündliche Verhandlung statt?

Nach einem Einspruch gegen einen Strafbefehl findet grundsätzlich eine Hauptverhandlung vor dem Gericht statt, das den Strafbefehl erlassen hat. Wird der Einspruch auf die Tagessatzhöhe beschränkt, besteht die Möglichkeit, dass das Gericht ohne mündliche Hauptverhandlung durch Beschluss entscheidet, wenn der Angeklagte, der Verteidiger und die Staatsanwaltschaft zustimmen.

Kann - wenn nach beschränktem Einspruch gegen die Tagessatzhöhe - das Gericht durch Beschluss entscheidet, das Gericht einen höheren Tagessatz als im Strafbefehl festsetzen?

Zwar kann sich die im Strafbefehl vorgesehene Rechtsfolge nach Einspruch zum Nachteil des Beschuldigten ändern, da das Gericht in der Hauptverhandlung nicht an den Rechtsfolgenausspruch im Strafbefehl gebunden ist, jedoch gilt eine wichtige Ausnahme, wenn per Beschluss über die Tagessatzhöhe entschieden wird: Hier kann nicht zum Nachteil des Einspruchsführers entschieden werden.

Ich halte die Anzahl der Tagessätze für überhöht. Wie wird die anzusetzende Anzahl festgelegt?

Grundlage jeder Strafe ist die "Schuld". Maßgebliche Gesichtspunkte für die Höhe der Strafe sind insoweit vor allem: Beweggründe und Ziele des Beschuldigten (Motiv), die Gesinnung sowie der aufgewendete Wille ("kriminelle Energie"), das Maß der Pflichtwidrigkeit (relevant besonders bei Fahrlässigkeitsdelikten), Art der Ausführung der Tat (professionell? dilettantisch?), Vorleben des Beschuldigten (Vorstrafen), persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse (Familie, soziales Umfeld, Ausbildung, Beruf), Nachtatverhalten (Schadensausgleich, Täter-Opfer-Ausgleich, Geständnis, Aufklärungshilfe). Auch die Folgen, die die Strafe für den Beschuldigten hat, sind zu berücksichtigen. Natürlich kann es hier zu überhöhten Strafen kommen und häufig ist dies auch der Fall, da Umstände, die für den Betroffenen sprechen, nicht oder nicht ausreichend vom Gericht berücksichtigt werden.

In einem Strafbefehl werden mit mehrere Taten zur Last gelegt. Kann ich den Einspruch auf einzelne Taten beschränken?

Der Einspruch kann auch hier beschränkt werden. Voraussetzung ist, dass sich die Taten klar voneinander abgrenzen lassen.

Mir wurde ein Strafbefehl zugestellt. Es muss sich aber zwingend um eine Personenverwechslung handeln. Muss ich dennoch Einspruch einlegen?

Ja!

Selbst wenn es sich um eine offensichtliche Verwechslung im Strafbefehl handelt, muss Einspruch eingelegt werden. Sie werden dann, wenn sich die Verwechslung beweisen lässt, freigesprochen. Andernfalls wird der Strafbefehl - auch wenn es sich um eine noch so offensichtliche Verwechslung handelt - rechtskräftig!

Was passiert nach einem ordnungsgemäß eingelegten Einspruch?

Es wird Termin zur mündlichen Hauptverhandlung vor dem Gericht anberaumt, das den Strafbefehl erlassen hat.

Ist das Gericht in einer Hauptverhandlung im Falle einer Verurteilung an den Rechtsfolgenausspruch des Strafbefehls gebunden oder kann eine höhere Strafe verhängtwerden?

Das Gericht ist nicht an die im Strafbefehl ausgeworfene Strafe gebunden. Es kann, sollte es zu einer Verurteilung kommen, auch zur Verhängung einer höheren Strafe kommen. Das Verbot der "Verböserung" gilt - anders als wenn der Angeklagte etwa Berufung einlegt - nicht.

Kann - und ggf. bis wann - der Einspruch wieder zurück genommen werden?

Der Einspruch kann bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils zurückgenommen werden.

Was sind die Konsequenzen, wenn der Einspruch gegen den Strafbefehl erst in der Hauptverhandlung wieder zurück genommen wird?

Zwar kann der Einspruch bis zur Urteilsverkündung zurückgenommen werden. Nach Beginn der Hauptverhandlung muss die Staatsanwaltschaft aber der Rücknahme zustimmen.

Was geschieht, wenn ich zur Hauptverhandlung nicht erscheine?

Sind weder Sie noch Ihr Verteidiger zur Hauptverhandlung nach Einspruch erschienen, wird der Einspruch ohne Verhandlung zur Sache verworfen.

Wird der Strafbefehl zurückgenommen, wenn sich in der Hauptverhandlung meine Unschuld herausstellt?

Nein!

Der Strafbefehl ist mit dem eingelegten Einspruch ohnehin hinfällig. Stellt sich im Rahmen der Hauptverhandlung heraus, dass Sie unschuldig sind, also die Ihnen zur Last gelegte Tat nicht begangen haben, oder dass Sie aus sonstigen Gründen nicht verurteilt werden können, z.B. wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung oder Verjährung der Tat, werden Sie auf Kosten der Staatskasse freigesprochen.