Was ist ein Ermittlungsverfahren?

Grundlage einer jeden rechtlichen Überprüfung ist ein tatsächlicher Geschehensablauf (z.B. „Mann schlägt Frau mit seiner rechten Faust ins Gesicht“)

Ein solcher tatsächlicher Geschehensablauf wird den Ermittlungsbehörden meist bekannt durch eine Anzeige des "Geschädigten" oder Anzeigen aus der Bevölkerung bei Polizei oder Staatsanwaltschaft.

Eine solche Strafanzeige sollte das tatsächliche Geschehen (Ort/Datum/Zeit/Ablauf), die daran Beteiligten und eine Schilderung des Anzeigers enthalten, wie er Kenntnis von dem Geschehen erlangt hat. Gegebenenfalls ist über die bloße Anzeige hinaus auch ein Strafantrag zu stellen.
Weiter erhalten die Ermittlungsbehörden Kenntnis von möglicherweise strafbaren Sachverhalten durch Wahrnehmungen/Beobachtungen der Polizei oder durch sonstige Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden.
Sobald bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft auf diese Weise ein möglicherweise für die Beteiligten strafbares Geschehen bekannt wird, muss von den Ermittlungsbehörden geprüft werden, ob die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Beteiligten notwendig ist. Wenn die Beteiligten nicht bekannt sind, kommt die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen „Unbekannt" in Betracht.

Ergibt eine solche Prüfung keine Anhaltspunkte dafür, dass die bekannten oder unbekannten Beteiligten an dem tatsächlichen Geschehen Straftatbestände verwirklicht haben, wird von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen.
Sobald jedoch ausreichende Anhaltspunkte für strafbare Handlungen in dem Geschehensablauf vorliegen, ist die Staatsanwaltschaft gesetzlich verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren gegen die Beteiligten, die sich strafbar gemacht haben könnten, einzuleiten, diese Beteiligten werden dann zu sogenannten Beschuldigten.

Sinn des Ermittlungsverfahrens ist die Klärung des Ablaufs des tatsächlichen Geschehens und der Handlungen, die die Beteiligten dabei ausgeführt haben.
Im Regelfall führt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen durch die von ihr damit beauftragten Polizeidienststellen der Schutz- oder Kriminalpolizei. Die Polizeidienststellen führen die notwendigen Ermittlungshandlungen wie zum Beispiel Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten, Einholung von Auskünften, Durchsuchungen nach und Sicherung von Beweismitteln, Observationen, Telefonüberwachungen - teilweise auch in Absprache deren Notwendigkeit mit dem ermittlungsführenden Staatsanwalt - durch. Dabei werden alle notwendigen und verfügbaren Beweise erhoben, natürlich auch solche, die den Beschuldigten entlasten können. Die Ermittlungen können bei komplizierten Sachverhalten langwierig sein, häufig sind jedoch recht schnell alle möglichen Maßnahmen erledigt. Bei dringendem Tatverdacht bei besonders schweren Straftaten oder wenn die Gefahr besteht, dass Beschuldigte untertauchen oder Beweise vernichten könnten, beantragt die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht den Erlass eines Haftbefehls. Wenn dieser erlassen wird, wird der Beschuldigte sodann aufgrund dessen in Untersuchungshaft genommen.

Nach Durchführung aller Ermittlungshandlungen legt die Polizei das Ergebnis der Staatsanwaltschaft vor. Die Staatsanwaltschaft entscheidet nach Abschluss der Ermittlungen über die Behandlung des Ermittlungsergebnisses.
Das Ermittlungsergebnis kann unterschiedlich lauten und demnach auch unterschiedlich bewertet werden. Wenn der zunächst bestehende Anfangsverdacht gegen den Beschuldigten ausgeräumt oder kein hinreichender Beweis für strafbare Handlungen gewonnen werden konnte, wird das Ermittlungsverfahren bereits bei der Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, § 170 Abs. 2 StPO.
Bei manchen Straftatbeständen ist Voraussetzung für die Strafverfolgung, dass von dem Geschädigten ein Strafantrag gestellt wird. Liegt in diesen Fällen ein solcher Antrag nicht vor, kann die Staatsanwaltschaft keine Strafverfolgung betreiben, das Verfahren wird ebenfalls eingestellt.

Bestätigt sich der Verdacht der Straftat, ergeben sich verschiedene Möglichkeiten der Ahndung.
Sofern das Verschulden des oder der Beschuldigten gering ist und ein besonderes öffentliches Interesse nicht vorliegt, kann das Verfahren bereits bei der Staatsanwaltschaft ohne Auflagen oder gegen entsprechende Auflagen, meist Zahlung eines Geldbetrages an Opfer, die Staatskasse oder eine gemeinnützige Einrichtung, eingestellt werden, §§ 153, 153 a StPO.
Wenn ein Beschuldigter bereits wegen anderer Straftaten strafrechtlich verfolgt wird, ist die Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen nunmehr bekannt gewordener geringfügigeren Straftaten im Hinblick auf die bereits erfolgte oder noch zu erwartende Bestrafung wegen der anderen Straftaten möglich, § 154 StPO.

Die genannten Einstellungen führen nicht zu einem Eintrag im Führungszeugnis oder im Strafregister des Beschuldigten.

Ist der Beschuldigte nicht ermittelt worden, wird das Verfahren wegen Nichtermittlung des Täters (vorläufig) eingestellt. Ist der Beschuldigte flüchtig oder sein Aufenthalt nicht mehr bekannt, wird das Verfahren ebenfalls vorläufig eingestellt, es werden verschiedene Möglichkeiten der Fahndung nach dem Täter eingeleitet.
Selbstverständlich erfolgt in diesen Fällen eine Wiederaufnahme, sobald neue Erkenntnisse über den Täter vorliegen.

In allen Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Einstellung nicht vorliegen, legt die Staatsanwaltschaft die Akten dem zuständigen Gericht mit einem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls oder einer Anklage vor. Damit ist das Ermittlungsverfahren beendet, nunmehr wird aus dem Vorgang ein Strafverfahren.

Für die Anklagen und Strafbefehle sind unterschiedliche Gerichte zuständig:
Der Strafrichter beim Amtsgericht ist grundsätzlich zuständig für solche Fälle, in denen die Straferwartung nicht höher als 2 Jahre ist. Er entscheidet grundsätzlich auch im Strafbefehlsverfahren.
Das Schöffengericht beim Amtsgericht entscheidet bei solchen Fällen, in denen laut Gesetz die Mindeststrafe aus dem verwirklichten Straftatbestand 1 Jahr Freiheitsstrafe oder mehr beträgt (Verbrechen) und die Straferwartung nicht höher als 4 Jahre ist. Wenn dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird, benötigt er immer einen Verteidiger, der ihm, wenn er selbst keinen hat oder bezahlen kann, vom Gericht als Pflichtverteidiger beigeordnet wird.