Bundesverfassungsgericht: Straftäter muss nicht sofort aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden

Der Beschwerdeführer befindet sich seit über 10 Jahren in der Sicherungsverwahrung. Er wurde im Jahr 1996 unter anderem wegen versuchten schweren Menschenhandels, Körperverletzung, Freiheitsberaubung, sexueller Nötigung und Förderung der Prostitution strafgerichtlich verurteilt. Zugleich wurde die Sicherungsverwahrung
angeordnet. Gegen die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben und gleichzeitig
einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem Ziel, ihn sofort freizulassen. Zur Begründung seines Antrags berief er sich unter anderem auf das - seit 10. Mai 2010 endgültige - Kammerurteil des EGMR vom 17. Dezember 2009, das einen anderen Beschwerdeführer betraf.

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat diesen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die
durch das - nach Ablehnung des Antrags auf Verweisung an die Große Kammer am 10. Mai 2010 nunmehr endgültige - Kammerurteil des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 17. Dezember 2009 (Beschwerde Nr. 19359/04) zur Sicherungsverwahrung aufgeworfenen
Rechtsfragen sind im Hauptsacheverfahren zu klären.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn die für den Erlass sprechenden Gründe deutlich überwiegen. Diese
Folgenabwägung hat im vorliegenden Fall ergeben, dass das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit im Fall der Zurückweisung der
Verfassungsbeschwerde das Interesse des Beschwerdeführers an der Beendigung der Freiheitsentziehung (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) für den Fall des Erfolgs seiner Verfassungsbeschwerde überwiegt. Die Fachgerichte haben ihre Annahme, dass von dem Beschwerdeführer Straftaten des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und ähnliche Delikte drohten, nachvollziehbar begründet. In Anbetracht dessen und angesichts der Schwere der drohenden Taten kann ein Überwiegen der für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe nicht festgestellt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat damit nochmals seine - bereits in einem ähnlichen Beschluss vom 22. Dezember 2009 angedeutete - Linie
bekräftigt, dass die durch das Kammerurteil des EGMR vom 17. Dezember 2009 zur Sicherungsverwahrung aufgeworfenen Rechtsfragen einer Klärung
im Hauptsacheverfahren zugeführt werden sollen und eine sofortige Freilassung des Beschwerdeführers nach einer Folgenabwägung von Verfassungs wegen nicht geboten ist.

Quelle:
Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 34/2010 vom 21. Mai 2010
Beschluss vom 19. Mai 2010 – 2 BvR 769/10 –



Eingestellt am 26.05.2010
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